Nur die Sonne war Zeuge

Als Alain Delon 1957 sein Leinwanddebüt feierte, fand er in der Nebenrolle eines Mörders scheinbar schon die Rolle seines Lebens. Seinen Durchbruch feierte der attraktive Franzose nämlich ebenfalls als Mörder, in René Cléments Verfilmung des Patricia-Highsmith-Romans „Nur die Sonne war Zeuge“. Cléments Film avancierte zu einem Klassiker der 1960er Jahre und zählt nach wie vor zu einem der besten Kriminalfilme überhaupt. Kein Wunder, dass Highsmiths Roman – nicht zuletzt durch die erfolgreiche europäische Leinwandadaption - auch in Hollywood Anklang fand und 1999 von Anthony Minghella unter dem eigentlichen Buchtitel „Der talentierte Mr. Ripley“ erneut verfilmt wurde. 

Inhalt: 

Um seinen Sohn Philippe Greenleaf (Maurice Ronet), der als reicher Taugenichts sein Leben in Europa genießt, nach San Francisco zurückzuholen, engagiert der Vater Philippes alten Freund Tom Ripley (Alain Delon) und stellt ihm eine Prämie von 5.000 Dollar in Aussicht, sollte er Philippe zur Rückkehr bewegen können. Der mittellose Tom sieht in diesem Auftrag die Chance, endlich in die Kreise aufsteigen zu können, in denen sich Philippe so selbstsicher und unbeschwert bewegt. Doch von Ambitionen will der verwöhnte Millionärssohn nichts wissen. Stattdessen sieht der egozentrische Philippe in Tom einen nützlichen Begleiter für allerlei sinnlosen Zeitvertreib in Rom, einen unter seiner Würde lebenden Bediensteten, der dazu da ist, seine auch mal sadistisch geprägten Gelüste zu befriedigen. 
Philippe kann es sich leisten, sowohl als Mäzene für ein Ballett zu fungieren als auch seine Verlobte Marge Duval (Marie Laforêt) bei ihrer Dissertation über den italienischen Künstler Fra Angelico unter die Arme zu greifen, ohne sich auch nur eine Spur für das Ballett oder die Interessen seiner Verlobten zu interessieren. Als sich Philippe ein Segelboot kauft und mit Marge und Tom aufs Meer hinaussegelt, eskaliert die Situation: Um mit Marge allein zu sein, setzt Philippe auf dem Beiboot aus, das nach dem Sex zwischen Philippe und Marge allerdings irgendwo auf offener See treibt. Als Philippe den dehydrierten und sonnenverbrannten Tom aufgabelt, entschuldigt sich Philippe eher halbherzig, und auch Tom scheint über diese Episode locker hinwegzusehen. Doch längst ist in Tom der Gedanke gereift, seinen vermögenden „Freund“ umzubringen und seine Stelle einzunehmen. Mit einem leichten Kniff macht er Marge eifersüchtig, die daraufhin an Land gebracht werden will. Zurück auf dem Wasser bringt Tom Philippe um, wirft die mit dem Anker beschwerte Leiche von Bord und nimmt die Identität seines Opfers an. Geschickt hat er Philippes Unterschrift eingeübt und das Foto in dessen Pass gegen sein eigenes ausgetauscht. Er hebt fast das gesamte Geld von Philippes Konto ab und will gerade per Brief die Beziehung zu Marge beenden, als ihm Philippes Freund Freddy Miles (Billy Kearns) auf die Schliche kommt, so dass er auch ihn umbringen muss und sich gezwungen sieht, wieder seine alte Identität anzunehmen und Philippes Selbstmord zu inszenieren und in einem gefälschten Testament Philippes Vermögen Marge zu vermachen. Nun muss er nur noch Marge um seinen Finger wickeln, um weiterhin Nutznießer von Philippes Vermögen zu sein… 

Kritik: 

Mit nur wenigen Einstellungen gelingt es René Clément („Verbotene Spiele“, „Liebling der Frauen“) das süße Leben zu umreißen, dass der reiche Taugenichts Philippe und sein bettelarmer Freund Tom im sonnigen Rom führen. Während Philippe in seinem Überschwang einem Bettler für mehrere Tausend Lire seinen Blindenstock abkauft und nach dem Grundsatz „Was kostet die Welt?“ in den Tag hineinlebt, ist Tom finanziell völlig von seinem Freund abhängig und ist vor allem daran interessiert, seinen mit 5.000 Dollar dotierten Auftrag möglichst schnell abzuwickeln. 
Dabei ist der gutaussehende Tom ständig von den Verführungen des mondänen Lebens umgeben, von teurem Essen, schicken Hotels, Sonne, Strand und Meer, so dass in ihm das Vorhaben reift, Philippe zu töten und seine Stelle einzunehmen. Clément nimmt sich viel Zeit, Toms Bemühungen in Szene zu setzen, wie er nicht nur Philippes Unterschrift gewissenhaft zu imitieren versucht, sondern im Spiegel auch seine Art zu sprechen. Philippe ist alles andere als angetan davon, als er Tom dabei beobachtet, glaubt aber nach wie vor, alle Fäden in der Hand zu haben, Tom nach seinem Willen zu manipulieren. „Nur die Sonne war Zeuge“ spielt gekonnt mit den großartig von Henri Decaë („Vier im roten Kreis“, „Fahrstuhl zum Schafott“, „Der eiskalte Engel“) eingefangenen Bildern gehobener Lebenskultur im schönen Rom, um mit gnadenloser Präzision Tom Ripleys perfiden Plan zu verfolgen, die Stelle seines Kontrahenten einzunehmen und dessen Wohlstand zu genießen. 
Clément lässt dabei aber die homoerotischen Züge der Romanvorlage ebenso außen vor wie das für Ripley günstige Ende, was auch Patricia Highsmith bemängelte, die sonst vor allem von Alain Delons Performance angetan war, dessen Figur keine Vergangenheit zu haben scheint und erst durch die neu gewonnene Identität an Kontur gewinnt. 
„Nur die Sonne war Zeuge“ besticht zum einen durch den Kontrast der betörenden Italien-Bilder und den menschlichen Abgründen, die sich zwischen den Figuren auftun, zum anderen durch die hervorragenden Darsteller. Alain Delons damalige Lebensgefährtin Romy Schneider hat übrigens zum Anfang einen Cameo-Auftritt als eine von Freddys Begleiterinnen. 

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