Die fantastische Welt von Oz
Nachdem sich Sam Raimi mit der „Tanz der Teufel“-Trilogie als origineller Horrorkomödiant einen Namen gemacht hatte, avancierte er in den 2000er Jahren mit der „Spider-Man“-Trilogie als versierter Blockbuster-Regisseur, dem auf einmal alle Türen offen zu sein schienen. Mit „Drag Me to Hell“ (2009) kehrte Raimi zunächst zu seinen Horror-Wurzeln zurück, um sich dann dem Kinderbuch-Klassiker „Der Zauberer von Oz“ von Lyman Frank Baum zuzuwenden, der vor allem durch die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 1939 mit Judy Garland in der Hauptrolle weltberühmt wurde.
Mit „Die fantastische Welt von Oz“ schuf Raimi 2013 ein fantasievolles und optisch beeindruckendes Fantasy-Spektakel, das die Vorgeschichte zu Baums Kinderbuchreihe erzählt.
Inhalt:
Oscar Diggs (James Franco) ist ein halbseidener Zauberkünstler, der sich Oz nennt, zusammen mit seinem Assistenten Frank (Zach Braff) mit einem Wanderzirkus durch die Staaten zieht und mehr schlecht als recht über die Runden kommt. Etwas Abwechslung versprechen nur die Flirts mit den wechselnden Gehilfinnen und Frauen, die in den verschiedenen Städten auf ihn warten. Als Diggs 1905 in seiner Heimatstadt in Kansas seine magischen Tricks vorführt, kommt es allerdings zu Unruhen im Publikum, als sich Diggs weigert, einem im Rollstuhl sitzenden Mädchen (Joey King) wieder zum Laufen zu bringen. Den unerwarteten Besuch seiner Freundin Annie (Michelle Williams) muss er kurzerhand beenden, weil ein aufgebrachter Ringer Diggs am liebsten in der Luft zerreißen würde. Der Zauberkünstler kann gerade so in einem Heißluftballon fliehen, gerät allerdings in einen Wirbelsturm, der ihn in das echte Zauberreich Oz katapultiert, wo er von der attraktiven Theodora (Mila Kunis) empfangen wird, die ihn für den prophezeiten Zauberer hält, der Oz von der bösen Hexe befreien und König werden würde.
Diggs hält sich mit einer Richtigstellung nicht lange auf, als Theodora ihn zur grünen Smaragdstadt führt und unterwegs einige Zauberkunststücke vorführt, die Theodora für echte Magie hält. Unterwegs befreit Oz den geflügelten Affen Finley (Zach Braff), der seinem Retter daraufhin ewige Treue schwört. Theodora, die sich bereits in den Zauberer verliebt hat, macht Oz mit ihrer Schwester Evanora (Rachel Weisz) bekannt, die dem Neuankömmling die königliche Schatzkammer zeigt. All das Gold würde Oz gehören, wenn er erst einmal König sein würde. Um keine Zeit zu verlieren, drängt sie Oz sofort zum Aufbruch, die böse Hexe im Düsterwald aufzustöbern und zu töten, indem er ihren Zauberstab zerbricht. Auf dem Weg zum Düsterwald treffen Oz und Finley auf ein junges Porzellanmädchen (Joey King), das als einziges ihres Dorfes den Angriff der geflügelten Paviane der Bösen Hexe überlebt hat und dessen gebrochenen Beine Oz mit „flüssiger Magie“ heilt. Sie schließt sich ebenso wie zuvor Finley dem mutmaßlichen Zauberer an. Als sie Düsterwald die gesuchte Hexe Glinda (Michelle Williams) finden, stellt sich allerdings heraus, dass nicht Glinda, sondern eine der anderen beiden Hexen, Theodora oder Evanora, den vorherigen König vergiftet hat, während Glinda als Tochter dieses Königs Beschützerin einer Stadt unbescholtener Oz-Bürger ist.
Während Oz und seine Begleiter mit der schönen Glinda in ihre schutzbefohlene Stadt reisen, zeigt Evanora ihrer Schwester Theodora das Geschehen in ihrer Kristallkugel, und macht sie zu ihrer Gefährtin im Kampf gegen Glinda und die unbescholtenen Oz-Bürger. Nun ist es tatsächlich an Oz, seine Kunstfertigkeit in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, um gegen die böse Hexe und ihrer Armee von fliegenden Pavianen zu bestehen…
Kritik:
Mitchell Kapner („Keine halben Sachen“, „Romeo Must Die“) und David Lindsay-Abaire („Die Hüter des Lichts“, „Rabbit Hole – Neue Wege“) haben mit ihrem Drehbuch und der darin ausgeführten Vorgeschichte des Zauberers von Oz ebenso wie Sam Raimi den Geist der klassischen Kinderbuchreihe bewahrt. „Die fantastische Welt von Oz“ beschreibt zunächst in monochromen, nahezu quadratischen Bildern den tristen und auch gefährlichen Alltag, den der charmante Zauberkünstler Diggs als Oz in seinem Wanderzirkus erlebt. Mit der spektakulären Flucht und dem Eintauchen in die magische Welt von Oz verändert sich auf mehreren Ebenen die Wahrnehmung des Zuschauers. Der Bildausschnitt geht in die Breite und leuchtet in den schillerndsten Farben.
Was der Oscar-prämierte Produktionsdesigner Robert Stromberg („Avatar“, „Alice in Wonderland“) mit seinem Team hier geschaffen ist, lässt die Märchenwelten, die Baum mit seinen Büchern geschaffen hat, auf der Leinwand zu eindrucksvollem Leben auferstehen.
Vor dieser atemberaubenden Kulisse entwickelt sich die mythische Reise des Narrs zur Selbsterkenntnis und Reife als abenteuerliche Odyssee, in der am Ende das Gute gegen das Böse nur durch den Glauben an die Magie und die Freundschaft siegen kann. Was Oz und seine neuen Weggefährten dabei auf die Beine stellen, beeindruckt nicht nur die böse Hexe und ihre angsteinflößenden fliegenden Paviane, sondern auch die Zuschauer. Bei aller zur Schau gestellten Kunstfertigkeit verliert Raimi jedoch nie die Geschichte aus den Augen, die er mit der richtigen Mischung aus Humor, leichtem Grusel und Spannung erzählt. James Franco, der bereits in Raimis „Spider-Man“-Trilogie die Rolle von Peter Parkers Freund Harry Osborn verkörpern durfte, überzeugt auch in „Die fantastische Welt von Oz“ als charismatischer Zauberer, der am Ende nicht nur wegen des Goldschatzes die guten Seiten in sich entdeckt und zum wahren Helden von Oz avanciert. Rachel Weisz („The Fountain“, „Der ewige Gärtner“) und Mila Kunis („Black Swan“, „Jupiter Ascending“) haben sichtlich Spaß in ihren Rollen als böse Hexen, während Michelle Williams („Blue Valentine“, „My Week with Marilyn“) als gute Hexe einfach bezaubert.
Sam Raimi knüpft damit nahtlos an die Filmmärchen seines Kollegen Tim Burton („Edward mit den Scherenhänden“, „Alice im Wunderland“) an, mit dem er sich übrigens auch den Komponisten Danny Elfman teilt.
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