Spider-Man 2
Mit „Spider-Man“ ist Sam Raimi 2002 das Kunststück geglückt, den Charme des berühmtesten Marvel-Superhelden aus der Comic-Vorlage zu bewahren als auch höchst vergnügliches Popcorn-Kino fürs Mainstream-Publikum zu bieten. Nachdem Raimis weithin gefeierte Leinwandadaption mit weltweit über 800 Millionen Dollar ein Vielfaches der 130 Millionen Dollar Produktionskosten eingespielt hatte, durfte der originelle „Evil Dead“-Schöpfer zwei Jahre später auch die Fortsetzung mit Tobey Maguire und Kirsten Dunst in den Hauptrollen inszenieren – und das Kino-Publikum wie Kritiker einmal mehr begeistern.
Nachdem Peter Parker (Tobey Maguire) seiner großen Jugendliebe Mary Jane (Kirsten Dunst) gestehen musste, dass er ihr nur Freundschaft bieten kann, und nach dem Schulabschluss bei Tante May (Rosemary Harris) ausgezogen und ein eigenes Zimmer in der Stadt bezogen hat, versucht er meist erfolglos, sein Studium, seinen Job als Pizzabote und seine Aktivitäten als Spider-Man unter einen Hut zu bekommen. Unter dieser Mehrfach-Belastung verliert er wegen anhaltender Unpünktlichkeit zunächst seinen für den Lebensunterhalt zu wichtigen Job, dann rügt ihn sein Dozent Dr. Curt Conners (Dylan Baker), dass er ihn durchfallen lasse, sollten sich Peters Leistungen nicht verbessern. Immerhin legt Conners ein gutes Wort für ihn bei dem ambitionierten Wissenschaftler Dr. Otto Octavius (Alfred Molina) ein, über den Peter einen Aufsatz schreiben will. Glücklicherweise arbeitet Octavius gerade bei Peters besten Freund Harry Osborn (James Franco), der nach dem Tod seines Vaters Norman (Willem Dafoe) dessen Firma übernommen hat und die Forschung des genialen Wissenschaftlers finanziert. Als Peter den Forscher in seinem Labor besucht, erfährt er von Octavius‘ Plänen, eine neue, revolutionäre, niemals versiegende Energiequelle zu schaffen. Doch die öffentliche Demonstration schlägt fürchterlich fehl. Die vier mechanischen Tentakel, die Octavius an seinem Rücken befestigt hat und durch eine Verbindung mit dem Rückenmark Verbindung zum Kleinhirn haben, verfügen über eine eigene Intelligenz, die entfesselt wird, als bei der außerplanmäßig heftigen Fusion auch der von Octavius eingebaute Unterbrecherchip zerstört wird. So verliert der Forscher nicht nur die Kontrolle über die Tentakel, sondern auch seinen Verstand. Den Schrecken, den er als „Doc Ock“ über New York verbreitet, kann nur einer beenden: Spider-Man. Doch der muss immer häufiger feststellen, dass ihn seine außergewöhnlichen Fähigkeiten immer wieder im Stich lassen, so dass er häufig unsanft landet und auch wieder eine Brille tragen muss. Peter trägt sich schon mit dem Gedanken, seine Superhelden-Aktivitäten einzustellen und sich in sein Studium reinzuknien und M.J. seine Liebe zu gestehen. Allerdings bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Spider-Man-Kostüm wieder überzustreifen, denn Doc Ock ist mit Harry Osborn einen Deal eingegangen, bei dem der außer Rand und Band geratene Wissenschaftler das für die Fortsetzung seiner Forschung benötigte Tritium im Gegenzug für Spider-Man erhält, den Harry für den Tod seines Vaters verantwortlich macht. Indem Doc Ock Mary Jane in seine Gewalt bringt, lockt er natürlich auch seinen Widersacher an…
Kritik:
Sam Raimi und sein Drehbuchautor Alfred Gough („Smallville“, „Ich bin Nummer Vier“) entwickeln mit „Spider-Man 2“ die Geschichte des ersten Films konsequent weiter und verzichten auf einen ausgiebigen Rückblick. Schlüsselszenen des ersten Teils werden als Comic-Illustrationen in den wieder von Danny Elfman stimmungsvoll musikalisch untermalten Vorspann eingebaut. Erzählte „Spider-Man“ noch die Geschichte eines ganz normalen Heranwachsenden, der durch den Biss einer genmanipulierten Spinne zu übermenschlichen Kräften kam und lernen musste, dass aus großer Kraft auch große Verantwortung erwächst, steht Peter Parker nun mitten im Leben und ist von der mehrfachen Belastung durch Studium, Job und seiner Verantwortung als Spider-Man so zermürbt, dass ihn auch als Superheld die Kräfte schwinden.
Einmal mehr geht es um komplizierte persönliche Beziehungen, unglückliche wissenschaftliche Tragödien, die aus sympathischen Forschern mit hehren Zielen grausame Tötungsmaschinen machen, und Fragen von Identität und Verantwortung.
Zwar nimmt die Auseinandersetzung zwischen Spider-Man und Doc Ock einen großen Raum des Plot ein und prägt die im Vergleich zu „Spider-Man“ weitaus gelungeneren Action-Sequenzen, doch „Spider-Man 2“ nimmt sich auch viel Zeit, die neuen Lebensumstände von Peter auf der einen Seite und seiner Jugendliebe Mary Jane zu beschreiben, die nach der gescheiterten Beziehung mit Harry nun mit dem Astronauten John Jameson (Daniel Gillies) liiert ist, dem Sohn von Peters Chefredakteur J. Jonah Jameson (J.K. Simmons), der Peter immer nur dann Aufträge zuschanzt, wenn er keine passende Titelstory parat hat oder sein High-Society-Fotograf ausgefallen ist. Die emotionale Achterbahnfahrt, die Peter und Mary Jane erleben, erdet die Geschichte ebenso wie Peters Sorge um seine verwitwete Tante May, die ihr Haus an die Bank zu verlieren droht.
Sam Raimi hält geschickt die Balance zwischen rein zwischenmenschlichen Tönen und Schicksalen und der Frage nach der Verantwortung, die Peter Parker als Spider-Man für das Wohl der Bevölkerung von New York trägt. Zum Finale hin wird noch einmal ordentlich geklotzt, wenn Spider-Man Mary Jane aus den Fängen von Doc Ock zu befreien versucht und der am Boden zerstörte Harry noch von seinem Vater auf eine Mission eingeschworen wird, die „Spider-Man 3“ antreiben wird.
Tobey Maguire („Pleasantville“, „The Good German“) überzeugt einmal mehr in seiner Paraderolle als ganz normaler junger Erwachsener, der vor der schwierigen Entscheidung steht, welchem Teil seines Lebens er die größte Bedeutung beimessen soll, während Kirsten Dunst („Interview mit einem Vampir“, „Melancholia“) mehr aus ihrer Rolle machen darf als noch im ersten Teil, ebenso J.K. Simmons als herrschsüchtiger Chefredakteur, der zunächst einzusehen scheint, dass Spider-Man doch ein Held ist, sich das kurz zuvor aufgefundene Spider-Man-Kostüm überzieht, um nach dem Verschwinden des Kostüms wieder lautstark gegen den Superhelden zu wettern.
Das Ensemble, das durch Willem Dafoe und Cliff Robertson in Rückblenden ergänzt wird, sorgt ebenso wie die stilsichere Inszenierung und Danny Elfmans vielfarbigen Score dafür, dass „Spider-Man 2“ zu den besten Comic-Verfilmungen überhaupt zählt.Vor allem Alfred Molina („Chocolat“, „Frida“) kann als tragischer Bösewicht überzeugen, muss er sich doch nicht wie zuvor Willem Dafoe hinter einem grünen Kostüm verstecken, sondern als Mensch-Maschine für reichlich Trubel und Aufregung in der Stadt sorgen.
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