Ein einfacher Plan

Sam Raimi hat nach dem Erfolg seiner Horror-Komödien-Trilogie „Evil Dead“ (1981-1993) und des düsteren Superhelden-Dramas „Darkman“ mit dem Western „Schneller als der Tod“ (1995) bewiesen, dass er auch Mainstream-Produktionen abliefern und mit einem illustren Cast arbeiten kann. Drei Jahre später lieferte er mit dem Ensemble-Thriller „Ein simpler Plan“ sein Meisterstück ab. 

Inhalt: 

Hank (Bill Paxton) lebt glücklich und zufrieden mit seiner hochschwangeren Frau Sarah (Bridget Fonda) in einer amerikanischen Kleinstadt irgendwo im Mittleren Westen. Zwar verdient er nicht übermäßig viel, aber zum Leben reicht es. Schließlich hat er den Leitsatz seines verstorbenen Vaters im Sinn, dass es zu einem glücklichen Mann nur eine Frau, die einen liebt, einen guten Job und Freunde und Nachbarn brauche, die einen respektieren. Hanks Bruder Jacob (Billy Bob Thornton) und dessen Freund Lou (Brent Briscoe) leben dagegen von Sozialhilfe und haben keine Aussicht auf einen Job. Als die drei Männer zusammen in Jacobs Pick-up unterwegs sind, rennt ihnen auf der verschneiten Straße ein Fuchs vor den Wagen, bei dem Ausweichmanöver rammt Jacob einen Baum. Als Jacob und Lou sich mit Gewehren auf die Jagd nach dem Übeltäter machen, schließt sich Hank notgedrungen an. Im nahegelegenen Wald stoßen sie auf ein abgestürztes Kleinflugzeug. 
Im Inneren findet Hank nicht nur die halb verweste Leiche des Piloten, sondern auch eine Tasche mit 4,4 Millionen Dollar, wie die Zählung am Pick-up ergibt. Hank ist bereit, das Geld zunächst bis zum Frühjahr zu verwahren und abzuwarten, ob irgendwelche Besitzansprüche publik werden. Da es sich offensichtlich um echte, nicht markierte Scheine aus einer Lösegeldforderung zweier Entführer handelt, planen die drei Finder bereits, was sie mit ihrem neuen Reichtum anstellen wollen. Das vereinbarte Stillschweigen über den Fund währt allerdings nur kurz. Während der geschwätzige, von Spielschulden geplagte Lou seiner Frau Nancy (Becky Ann Baxter) von dem Fund erzählt, präsentiert auch Hank seiner Sarah die Tasche mit dem Geld. 
Hank stimmt Sarahs Vorschlag zu, einen Teil des Geldes, etwa 500.000 Dollar wieder in das Flugzeug bringen, den Piloten wieder in seine ursprüngliche Position zu setzen und alle sonstigen Spuren beseitigen, damit kein Verdacht geschöpft werde, wenn das Wrack gefunden werden sollte. 
Doch als plötzlich ein Ermittler vom FBI (Gary Cole) bei Carl (Chelcie Ross), dem örtlichen Sheriff, aufschlägt, werden auch Hank, Jacob und Lou aufgescheucht. In ihrer Panik treffen sie nicht immer die besten Entscheidungen… 

Kritik: 

Das verschneite Kleinstadtmilieu im Mittleren Westen erinnert nicht von ungefähr an „Fargo“ (1996), denn mit „Ein einfacher Plan“ hat Sam Raimi nicht nur den Roman und das dazugehörige Drehbuch von Scott B. Smith („Ruinen“, „Siberia“) verfilmt, sondern auch seinen Freunden Joel und Ethan Coen („Blood Simple“, „Miller’s Crossing“) seine Referenz erwiesen. Auch „A Simple Plan“ erzählt die Geschichte von drei kleinbürgerlichen Männern, die durch den zufälligen Fund von über vier Millionen Dollar auf einmal den amerikanischen Traum zu verwirklichen hoffen. 
Während der etwas schüchterne, langsam denkende und allein lebende Jacob sich danach sehnt, die Farm seines Vaters zurückzukaufen und sich wieder zuhause fühlen zu können, und Lou die Schulden-Spirale seiner Spielsucht zu durchbrechen hofft, will Hank seiner Frau und seinem neugeborenen Kind ein sicheres Zuhause bieten und nicht mehr auf jeden Penny gucken müssen. 
Raimi nutzt den beschränkten Bewegungsradius in der völlig verschneiten Kleinstadt dazu, das Ensemble fast auf die Hauptakteure zu reduzieren, wobei die drei Männer und Hanks Frau Sarah prächtige Identifikationsfiguren abgeben, und Raimi vermeidet es geschickt, das Verhalten seiner Protagonisten moralisch zu werten. Bill Paxton („Apollo 13“, „Twister“) verkörpert den absoluten, in seiner Heimatstadt allseits beliebten Durchschnittsamerikaner mit einem normalen Job, hübscher Ehefrau und gemütlichem Heim, der vor allem durch seine Frau angetrieben wird, das Geld zu nutzen, mehr aus ihrem bescheidenen Leben zu machen, damit man sich bei den seltenen Restaurantbesuchen auch mal ein Dessert oder eine Vorspeise leisten kann. Wer könnte das nicht wollen? 
„Ein einfacher Plan“ entwickelt sich aber vor allem als Geschichte über die Korrumpierbarkeit der Protagonisten. Der Geldfund lässt jede Vernunft fahren und kehrt die schlimmsten Eigenschaften der Menschen hervor: Gier, Rücksichtslosigkeit, Egoismus. Raimi spitzt die Dramatik durch das Auftauchen des vermeintlichen FBI-Beamten geschickt zu. Am eindringlichsten sticht Billy Bob Thornton („Tombstone“, „Dead Man“) als einfältig wirkender Hillbilly mit langen Haaren, hervorstehenden Ohren und übergroßer Brille hervor. Seine Figur bringt die ganze Tragik hervor, von dem amerikanischen Traum völlig ausgeschlossen worden zu sein. Die einzige „Freundin“, die er je hatte, wollte nur eine Wette mit ihren Freunden gewinnen, die meinten, sie würde es nicht einen Monat mit ihm aushalten. Das Geld könnte seine Chancen erhöhen, vielleicht doch noch eine Frau zu finden, selbst wenn sie mit ihm nur des Geldes wegen zusammen sein würde. 
Die unscheinbaren Männer werden durch das Geld zu Mord, Lügen und Verrat getrieben, was natürlich kein gutes Ende nehmen kann. Dabei haben sich Hank, Lou und Jacob ihr Schicksal letzten Endes selbst zuzuschreiben. Die triste, unterkühlte Atmosphäre der verschneiten Kleinstadt, die liebevoll gezeichneten Figuren, das natürlich aufspielende Ensemble, der verspielte Score von Danny Elfman und die routinierte Inszenierung machen „Ein einfacher Plan“ zu einem kleinen Thriller-Juwel, das bis heute zu Sam Raimis besten Arbeiten zählt.  

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