Edward mit den Scherenhänden

Nachdem Tim Burton mit seinen ersten beiden Filmen „Pee-wees irre Abenteuer“ und „Beetlejuice“ seine außergewöhnliche Imaginationskraft demonstriert hatte, verhalf er der Kult-Comic-Figur „Batman“ zu einem imponierenden Leinwand-Auftritt. In künstlerischer Hinsicht war das Blockbuster-Projekt allerdings alles andere als befriedigend für den visionären Filmemacher mit einem großen Herz für Außenseiter-Figuren. Bevor er sich an seinen zweiten und letzten „Batman“-Film machte, lieferte er mit der Fantasy-Tragikomödie „Edward mit den Scherenhänden“ (1990) ein Meisterwerk ab, an das Burton später nur noch selten anknüpfen konnte und das Johnny Depp und Winona Ryder zum endgültigen Durchbruch in Hollywood verhalf. 

Inhalt: 

Als die Avon-Produktberaterin Peg Boog (Dianne Wiest) mit der neuen Kollektion in ihrer Nachbarschaft vergeblich hausieren geht, entschließt sie sich, erstmals zu dem düsteren Schloss am Rande des Vorortes zu fahren, um dort ihr Glück zu versuchen. Im Garten des heruntergekommenen Anwesens bestaunt sie verzaubert die Kunstwerke, die jemand aus den Büschen und Sträuchern geschnitten hat, und entdeckt auf ihrer weiteren Erkundungstour durch das Schloss auf dem verfallenen Dachboden eine schüchterne Gestalt in einem schwarzen Lederkostüm, mit sehr blassem Teint und Scheren als provisorische Hände. 
Der Junge namens Edward (Johnny Depp) ist das Produkt eines Erfinders (Vincent Price), der verstarb, bevor er dem Jungen richtige Hände anbringen konnte. Die gutmütige Peg beschließt, die verschreckte Gestalt mit zu sich nach Hause zu nehmen. Die Neuigkeit verbreitet sich wie ein Lauffeuer zwischen den Nachbarinnen, die Peg wenig später einen Besuch abstatten. Edward wird nicht nur als andersartiges Wesen bestaunt, sondern erweist sich als versierter Gartenkünstler und Coiffeur, der die Nachbarschaft mit den eigenwilligsten Skulpturen und Haarschnitten für Hunde und Damen bezaubert. Edward selbst ist von Pegs hübscher Tochter Kim (Winona Ryder) verzaubert, die allerdings mit dem selbstgefälligen Kotzbrocken Jim (Anthony Michael Hall) liiert ist. 
Als er seinen eigenen Vater bestehlen will, um für sich und Kim einen eigenen Van besorgen zu können, ist Kim strikt dagegen, stimmt aber letztlich zu, Edward mit seinem Geschick als Türöffner mitzunehmen. Als die Alarmanlage ertönt und Edward im Haus eingeschlossen wird, verziehen sich Jim und Kim vom Tatort. Mittlerweile kippt die Stimmung im Ort, nachdem auch Pegs Nachbarin Joyce (Kathy Baker) von Edward nicht die Behandlung erfuhr, die sie sich erhofft hatte. Selbst Peg muss ernüchtert feststellen, dass es vielleicht ein Fehler war, Edward aus seiner gewohnten Lebensumgebung herausgeholt zu haben… 

Kritik: 

Bereits mit der märchenhaften Musik von Danny Elfman und der klassischen „Es war einmal...“-Eröffnung, mit der die Großmutter ihrer Enkelin beim Zubettgehen die Geschichte eines Erfinders beginnt, entführt uns Tim Burton in eine ganze andere Welt als die, die er uns in der verschrobenen Pee-wee-Herman-Komödie, der Horrorkomödie „Beetlejuice“ und dem Superhelden-Abenteuer „Batman“ präsentierte. „Edward mit den Scherenhänden“ stellt einmal mehr einen liebenswerten Außenseiter in den Mittelpunkt der Geschichte, die letztlich deutlich vor Augen führt, wie die Gesellschaft mit Außenseitern umgeht. Den Gegensatz zwischen der empfindsamen Kunstfigur Edward und der spießigen Vorort-Gemeinde lässt sich schon optisch festmachen. Wenn die naive Peg die wohlgeordnete Siedlung mit den einfarbig buntgestrichenen Häusern, gepflegten Vorgärten und pastellfarben lackierten Autos verlässt, tritt sie in die dunkle, schattige und verlassene Atmosphäre eines heruntergekommenen Schlosses jenseits kleinbürgerlicher Ordnung ein, doch begegnet sie Edward mit mitleidiger Fürsorge. Dass ihre Mitmenschen jedoch nicht bereit für eine so andersartige Kreatur sind, erzählen Tim Burton und seine Drehbuchautorin Caroline Thompson („Die Addams Family“, „Nightmare Before Christmas“) in der folgenden Geschichte, in der romantische Gefühle und Nächstenliebe ebenso Platz finden wie Selbstsucht, Neid und Gier. 
Dabei verzaubert „Edward mit den Scherenhänden“ durch die artifizielle 50er-Jahre-Vorort-Kulisse, das Oscar-nominierte Make-up von Stan Winston („Jurassic Park“, „Batmans Rückkehr“), Danny Elfmans einfühlsame, verzaubernde Musik, die wundervollen Spezialeffekte, mit denen die Skulpturen aus Büschen und Eis Formen annehmen, und die Romanze zwischen Edward und Kim. 
Johnny Depp („From Hell“, „Chocolat“) verkörpert den einsamen, nicht-fertigen Außenseiter Edward mit ausdrucksstarker Mimik, die nicht viele Worte braucht. Ihm ist ständig anzumerken, dass er zwar die Aufmerksamkeit genießt, die ihm durch seine Kunstfertigkeit zukommt, doch ebenso sehr ist sie ihm unheimlich. Aber auch Winona Ryder („Heathers“, „Durchgeknallt“) und Dianne Wiest („Hannah und ihre Schwestern“, „Der Pferdeflüsterer“) spielen stark auf und machen Burtons vierten Film zu einem zauberhaften Filmvergnügen, das lange in Erinnerung bleibt – und letztlich auch eine Verbeugung vor der Horror-Schauspiel-Ikone Vincent Price (in seiner letzten Kinofilmrolle) darstellt.  

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