Twin Peaks - Staffel 1

David Lynch hatte mit den beiden Schwarzweiß-Filmen „Eraserhead“ und „Der Elefantenmensch“, mit der Adaption von Frank Herberts Sci-Fi-Klassiker „Dune – Der Wüstenplanet“ und schließlich dem Mystery-Drama „Blue Velvet“ ganz unterschiedliche und ebenso unterschiedlich erfolgreiche Werke inszeniert, doch seine große Stunde schlug, als er zusammen mit Mark Frost eine eigene Produktionsfirma gründete, mit der er dem abgehalfterten Fernsehserien-Format neue Impulse verleihen wollte. Vorhang auf für die erste Staffel der Mystery-Drama-Serie „Twin Peaks“, die zugleich einen perfekten Einstieg in die surrealen Welten von David Lynch bietet. 

Inhalt: 

Als Pete Martell (Jack Nance) in dem 50.000-Einwohner Stadt Twin Peaks unweit der kanadischen Grenze eines Morges zum Fischen aufbricht, entdeckt er am Ufer eine in Plastikfolie eingewickelte Leiche. Wenig später sind Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean), sein Deputy Andy Brennan (Harry Goaz) und Dr. Will Hayward (Warren Frost) am Tatort und identifizieren die Leiche der 17-jährigen Laura Palmer (Sheryl Lee). Da die verschlafen in den Bergen liegende Kleinstadt bislang keine Erfahrungen mit derartigen Gewaltverbrechen hat, wird das FBI hinzugezogen. Als sich FBI-Special-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) der Sache annimmt, stellt sich nicht nur heraus, dass Laura vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr mit drei Männern hatte und dabei schwer misshandelt wurde, sondern unter einem ihrer Fingernägel findet Cooper – wie bei einem früheren Fall – ein Stück Papier mit einem eingravierten „R“. 
Noch bevor sich Freunde und Verwandte mit Lauras Tod wirklich auseinandersetzen können, wird mit Ronette Pulaski (Phoebe Augustine) eine Mitschülerin von Laura vermisst. Sie taucht wenig später in einem blutigen Nachthemd und völlig verstört aufgegriffen und ins Krankenhaus eingeliefert, wo festgestellt wird, dass sie von den gleichen Männern misshandelt wurde wie Laura. James Hurley (James Marshall), der heimliche Freund von Laura, gerät genauso wie Lauras offizieller Freund, Bobby Briggs (Dana Ashbrook) ins Visier der Ermittler, doch hält Cooper beide Jungs für unschuldig. Stattdessen kommt der exzentrische FBI-Agent durch ein ungewöhnliches Verfahren auf Leo Johnson (Eric DaRe) als Verdächtigen. Seine Frau Shelly (Mädchen Amick), die mit Bobby eine heimliche Affäre unterhält, hat beim Sortieren seiner Wäsche auch schon ein blutiges Hemd gefunden und versteckt. 
Lauras beste Freundin Donna Hayward (Lara Flynn Boyle) macht sich mit James und Lauras Cousine Madeleine (Sheryl Lee) daran, selbst nach Lauras Mörder zu suchen, dabei stellen James und Donna fest, dass sie schon die ganze Zeit ineinander verliebt gewesen sind. Während der Ermittlungen geht das Leben in Twin Peaks natürlich weiter. Catherine Martell (Piper Laurie) versucht mit dem Hotelbesitzer Benjamin Horne (Richard Beymer), das ruinöse Packard-Bergwerk an sich zu reißen, um skandinavische Investoren nach Twin Peaks zu locken, doch durch Benjamins rebellische Tochter Audrey (Sherilyn Fenn) wird dieser Deal zunichte gemacht. Doch Jocelyn Packard (Joan Chen) macht sich keine Illusionen, dass Catherine weiterhin alles versuchen wird, auch sie aus dem Sägewerk zu drängen, nachdem sie bereits Josies Mann umgebracht hatte. 
Derweil lässt Cooper ein Phantombild nach Sarah Palmers (Grace Zabriskie) Visionen von einem Mann namens Bob anfertigen und unternimmt mit Sheriff Truman und dem Autowerkstattbetreiber Big Ed Hurley (Everett McGill) einen Ausflug zum Bordell One-eyed Jacks jenseits der kanadischen Grenze, das von Benjamin Horne betrieben wird und in dem minderjährige Prostituierte arbeiten. Dann überstürzen sich die Ereignisse mit weiteren Verletzten, Toten und Vermissten… 

Kritik: 

Mark Frost und David Lynch haben sich für „Twin Peaks“ eine ganz eigene Topographie geschaffen, die letztlich die soziale Topographie der amerikanischen Gesellschaft darstellen sollte. Mit dem großen See, dem Hotel, den imponierenden Wäldern mit den Douglas-Tannen, dem Diner, dem Krankenhaus, dem Kaufhaus, dem Sheriff’s Department, der High School, der Diskothek und der Tankstelle haben die beiden Showrunner den Mikrokosmos der kleinbürgerlichen Lebens zusammengestellt, um darin nach und nach wie unter einem Mikroskop die unentdeckten Geheimnisse dieser Kleinstadt aufzudecken. Mit dem von der kultigen Titelmelodie von Angelo Badalamenti untermalten Vorspann wird die ganze – sich als trügerisch erweisende - Idylle der Kleinstadt eingefangen, mit dem ikonischen Bild der Halsbanddrossel, den kreisenden Sägeblättern, dem Blick auf den imposanten Wasserfall und die ihn umrahmenden Wälder. 
Doch schon die in Plastikfolie eingewickelte nackte Leiche der kokainsüchtigen, auf harten Sex stehenden High-School-Schönheit Laura Palmer wirkt wie ein Bruch in der heilen Welt, die zusehends immer dunklere Geheimnisse aufdeckt, die mit Drogenhandel, Verschwörungen, Vertuschungen und geheimen Affären zu tun haben. Frost und Lynch nehmen sich viel Zeit, die einzelnen Figuren einzuführen, doch die wechselseitigen Beziehungen untereinander werden erst nach und nach offenbart. Auf jeden Fall wird schnell deutlich, dass nichts in Twin Peaks so ist, wie es eben noch den Anschein hatte. Lynch, der beim spielfilmlangen Pilot und der dritten Episode auch Regie führte, und sein Co-Schöpfer Mark Frost interessieren sich weniger für den klassischen Whodunit-Plot, sondern nehmen den Mord an Laura Palmer als Ausgangspunkt für eine einzigartige Melange aus klassischer Krimiserie, Film noir, Elementen aus Mystery- und Horrorfilmen sowie zunehmend surrealen Stimmungen, die immer wieder durch sehr humorvolle Szenen aufgelockert werden. 
Kyle MacLachlan, der bereist bei „Blue Velvet“ und „Dune“ als Hauptdarsteller überzeugte, darf als Special-Agent Dale Cooper so richtig schön vom Leben auf dem Land schwärmen, von den majestätischen Bäumen, dem phantastischen Kaffee und Kuchen in Twin Peaks und auch von den liebenswerten Menschen dort, denen sein ungehobelter Kollege Albert Rosenfield (Miguel Ferrer) ständig vor den Kopf stößt. Aber er bringt in seine Ermittlungsarbeit auch immer seine Vorliebe für Tibet und ungewöhnliche Denkweisen ein, die gut mit dem mystischen Element harmonieren, das die Serie im weiteren Verlauf immer stärker auszeichnet. 
Mit der ersten Staffel ist dem Gespann Lynch/Frost ein vielversprechender Auftakt für eine Serie gelungen, die aufzeigt, was Fernsehen kann, wenn man sich nicht an die ausgetretenen Pfade hält und stattdessen seiner Fantasie einfach mal freien Lauf lässt. Der wunderbare Score von Angelo Badalamenti, die großartigen Darsteller und der eigenwillige Humor machen „Twin Peaks“ zu einem ungewöhnlichen Highlight der Fernsehunterhaltung, ohne das spätere Produktionen wie „Akte X“ kaum vorstellbar wären.  

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