Das letzte Haus links

Nicht vielen Regisseuren gelingt es, gleich mit dem Erstlingswerk ein Ausrufezeichen zu setzen. Wes Craven, der später mit „Hügel der blutigen Augen“, „Nightmare – Mörderische Träume“, „Die Schlange im Regenbogen“ und „Scream“ zu einem führenden Vertreter des Horror-Kinos avancieren sollte, inszenierte 1972 mit „The Last House on the Left“ eine moderne Version von Ingmar Bergmans Klassiker „Die Jungfrauenquelle“ und fing mit dem Rape-and-Revenge-Schocker die nicht verarbeiteten Ängste einer zutiefst verstörten Nation ein. 

Inhalt: 

Kurz vor ihrem Geburtstag will die attraktive Mari Collingwoods (Sandra Peabody) mit ihrer Freundin Phyllis (Lucy Grantham) ein Rock-Konzert in New York besuchen. Ihr Vater John (Gaylord St. James) kritisiert zwar, dass sie ohne BH aus dem Haus eine Gegend aufsucht, die ihm alles andere als geheuer ist, doch gesteht er seiner besorgten Frau Estelle (Cynthia Carr) gegenüber seiner Tochter zu, sich auszuprobieren und so erwachsen zu werden. Auf dem Weg in die Stadt weist der Nachrichtensprecher auf vier entflohene Häftlinge hin, die auf ihrer Flucht zwei Wärter erschossen und ein imposantes Vorstrafenregister aufzuweisen haben, das von Rauschgifthandel über Unzucht mit Minderjährigen bis zu Mord und Vergewaltigung reicht. 
In der Nähe des Clubs wollen sich die Mädchen noch etwas Gras besorgen und geraten dabei ausgerechnet an Junior Stillo (Marc Sheffler), der die ahnungslosen Frauen in den Unterschlupf seiner Bande führt. Sein großer Bruder Krug (David A. Hess), dessen Kumpel Fred „Weasel“ Podowski (Fred J. Lincoln) und Sadie (Jeramie Rain) vergnügen sich mit über Nacht mit den Mädchen und legen sie am nächsten Morgen im Kofferraum ihres Wagens ab, mit dem sie aus der Stadt fahren. Als der Wagen mit einem Motorschaden in einem Waldgebiet liegenbleibt, verschleppen die vier Verbrecher Mari und Phyllis ans Seeufer, wo Phyllis zunächst die Flucht gelingt und Mari Junior zu überreden versucht, mit zum Haus ihrer Eltern zu kommen, das ganz in der Nähe liegt. Währenddessen haben die Collingwoods die Polizei eingeschaltet, doch der Sheriff (Marshall Anker) und sein Deputy (Martin Kove) sind mehr an dem Geburtstagskuchen interessiert, den Estelle für ihre Tochter gebacken hat, als an der Suche nach der Vermissten. Schließlich suchen die Stillo-Brüder, Weasel und Sadie Unterschlupf bei dem gastfreundlichen Arzt-Ehepaar… 

Kritik: 

In Ingmar Bergmans Oscar-prämierten Meisterwerk „Die Jungfrauenquelle“ (1960) macht sich im mittelalterlichen Schweden Karin, die Tochter eines wohlhabenden Bauern, mit einer Dienerin auf den Weg ins Dorf, um Marienkerzen in die Kirche zu bringen. Unterwegs wird Karin von drei Hirten dazu überredet, mit ihnen zu rasten und ihren Reiseproviant mit ihnen zu teilen, worauf die beiden ältesten der drei Brüder das Mädchen vergewaltigen und töten.  
Craven nimmt den roten Faden der Geschichte auf und transportiert das Geschehen in die Neuzeit, in ein Amerika, das durch den Vietnam-Krieg zutiefst verstört und verunsichert ist, in der die gesellschaftlichen Normen durch die Flower-Power-Ära nachhaltig. Wes Craven und sein Co-Produzent Sean S. Cunningham („Freitag der 13.“) legten mit „Das letzte Haus links“ den Grundstein für den Terrorfilm, der den gothischen Horror hinter sich ließ und den Horror mitten in die moderne Gesellschaft verlegte. 
In „The Last House on the Left“ stehen die vier aus dem Gefängnis ausgebrochenen Verbrecher für die Ängste eines Bürgertums, das sich und seine Werte durch die Verrohung der Menschheit bedroht sieht. Indem sie – zunächst unwissentlich - den Mördern ihrer Tochter ihre Gastfreundschaft anbieten, setzen sich die Collingwoods ganz direkt dem gnadenlosen Terror aus, der für die Zerrüttung der Gesellschaft verantwortlich ist. Dabei können die bürgerlich verkleideten Killer nur unbeholfen ihre rohe, gewalttätige Natur verbergen. Schon beim gemeinsamen Abendessen werden sie von dem Ehepaar als unzivilisierte Barbaren entlarvt, denen sie schließlich mit ihren eigenen Waffen begegnen, mit der rohen Gewalt einer Kettensäge. 
Die Bilder, die Craven gerade bei der Vergewaltigung, Folter und Tötung der beiden Mädchen präsentiert, sind nichts für schwache Nerven und haben Craven den Vorwurf der Gewaltverherrlichung eingebracht, doch am Ende stehen diese Bilder nur für die lähmende Angst vor der Verrohung und Verwahrlosung einer völlig enthemmten, auf ihre niedersten Instinkte reduzierte Gesellschaft. 
Dabei steckt hinter der höflichen, gesitteten und gutbürgerlichen Fassade letztlich auch nur ein rachsüchtiges, wildes Tier. Mit „Das letzte Haus links“ hat Craven den Weg geebnet für ein ganzes Genre von Hinterwäldler-Horror-Filmen, so als stünde der Wald für die Heimat völlig enthemmter Monster in Menschengestalt, denen schon gar nicht unfähige Cops beikommen können.

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