Hügel der blutigen Augen
Mit seinem ultrabrutalen Low-Budget-Terrorschocker „Das letzte Haus links“ (1972) avancierte Wes Craven über Nacht zum Wegbereiter eines neuen Genres, das sich von dem gothisch beeinflussten Grusel der britischen Hammer Studios und Roger Cormans Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen distanzierte und stattdessen den zeitgenössischen Horror nicht zuletzt einer durch das Vietnamkriegs-Debakel gespaltenen Gesellschaft thematisierte. Nachdem sein nachfolgender Film „The Firworks Woman“ (1975) nahezu in der Versenkung verschwunden ist, holte Craven mit „Hügel der blutigen Augen“ (1977) aber schon zum nächsten großen Wurf aus.
Auf dem Weg nach Kalifornien macht Familie Carter einen kleinen Umweg durch die Yucca-Wüste, um eine alte Silbermine zu besichtigen. Nachdem der pensionierte Großstadt-Cop „Big Bob“ (Russ Grieve), seine Ehefrau Ethel (Virginia Vincent), Sohnemann Bobby (Robert Houston), die Töchter Brenda (Susan Lanier) und Lynne (Dee Wallace Stone) sowie deren Ehemann Doug (Martin Speer) mit ihrem Baby an einer Tankstelle in der Einöde aufgetankt haben, bestreitet der Tankwart, dass es da draußen noch eine Silbermine gibt, und rät der mit einem Wohnwagen reisenden Familie, auf jeden Fall auf der befestigten Straße zu bleiben.
Big Bob lässt sich jedoch von dem vermeintlichen Geschwafel des alten Mannes nicht beirren und beauftragt seine Familie mit der Suche nach der passenden Route. Bobby entdeckt auf der Karte, dass das Gebiet nicht nur von der Air Force für Übungen genutzt wird, sondern auch ein nukleares Testgelände aufweist. Durch tiefliegende Jets und einem Kaninchen auf der Straße aus dem Konzept gebracht, fährt das Familienoberhaupt den Wagen in die Brüche.
Während Big Boss zurück zur Tankstelle geht, versucht Doug in der entgegengesetzten Richtung Hilfe zu finden. Als der Schäferhund Beauty zu den Felsen rennt, kann Bobby auf der Suche nach dem Hund nur noch feststellen, dass Beauty vollkommen zerfetzt worden ist. Noch ahnen die Carters nicht, dass in den Hügeln Kannibalen hausen, die sich der nahezu schutzlosen Familie nähern. Unter Führung ihres Oberhaupts Jupiter (James Whitworth) machen sich Pluto (Michael Berryman), Mercury (Peter Locke) und Mars (Lance Gordon) daran, die Carters abzuschlachten und das Baby zu entführen. Einzig Ruby (Janus Blythe) versucht, das barbarische Treiben ihrer Sippe zu stoppen…
Kritik:
Wie schon in seinem blutigen, mit dem Vorwurf der Gewaltverherrlichung konfrontierten Schocker „The Last House on the Left“ stellt Wes Craven in „The Hills Have Eyes“ den Kampf zwischen unzivilisierten, rohen Kräften der Gesellschaft und der gutbürgerlichen Mittelschicht in den Mittelpunkt seiner Geschichte und wieder klärt er das Publikum darüber auf, dass die Wilden den Krieg der Kulturen zwar mit brutaler Gewalt beginnen, aber mit überraschend vehementer Gegenwehr rechnen müssen. Im Vergleich zu seinem Debüt verzichtet Craven diesmal allerdings auf eine überzogen blutige Gewaltorgie. Es ist schließlich erschreckend genug anzusehen, wie die republikanischen Werte, der christliche Glaube und das Recht auf Waffenbesitz von in den Felsen lebenden Wilden demontiert werden. Craven thematisiert die große Unsicherheit, die die US-amerikanische Bevölkerung nach dem Desaster von Vietnam und Watergate befallen hat.
Gegen das starrköpfige Establishment scheint mit Vernunft nichts auszurichten zu sein. Auf der anderen Seite scheint der Krieg die Menschheit wieder zu Wilden gemacht zu haben, die nach dem Prinzip des Überlebens des Stärkeren agieren und ihren Feinden das Kostbarste nehmen, das eigene Leben.
Und das lassen sich die Carters nicht ohne Widerstand nehmen.
„Hügel der blutigen Augen“ überrascht durch den offen ausgetragenen Kampf zwischen den Zivilisierten und den Wilden. Den offenen Schlagabtausch gewinnt die Partei, die über die schlagkräftigeren Waffen, das größere Geschick, die raffinierteren Überlebensstrategien und das meiste Glück verfügt. Dabei widmet Craven den Wilden fast ebenso viel Aufmerksamkeit wie den Carters. Im Gegensatz zu „Das letzte Haus links“, wo David A. Hess' fluffiger Flower-Power-Soundtrack eine ganz andere Stimmung erzeugte, sorgt Don Peake mit seinem elektronisch vibrierenden Score zu „The Hills Have Eyes“ für die passendere musikalische Untermalung. Das 1985 inszenierte Sequel „Im Todestal der Wölfe“ hätte sich Craven allerdings sparen können.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen