Psycho (1998)

Unter den vielen Meisterwerken, die Alfred Hitchcock („Der Fremde im Zug“, „Der unsichtbare Dritte“, „Das Fenster zum Hof“) abgeliefert hat, dürfte der Schocker „Psycho“ aus dem Jahr 1960 nach wie vor sein berühmtester Film sein, an dem sich alle nachfolgenden Thriller-Regisseure messen lassen mussten. Nachdem zwei Sequels und eine Art Prequel gefolgt waren, die nicht annähernd die Qualität von Hitchcocks Spannungs-Klassiker erreichten, wagte Universal fast vierzig Jahre nach dem Original ein ungewöhnliches Experiment und beauftragte den Oscar-prämierten Filmemacher Gus Van Sant („Good Will Hunting“, „Milk“) mit einem Remake, das sich im Gegensatz zu den üblichen Remakes von Horror-Klassikern so dicht am Original wie möglich hielt. 

Inhalt: 

Nachdem sich die Sekretärin Marion Crane (Anne Heche) am Freitag in der Mittagspause mit ihrem Lover Sam Loomis (Viggo Mortensen) vergnügte, wird sie von ihrem Chef damit beauftragt, die 400.000 Dollar, die ein Mandant für einen Immobilienkauf bar bezahlte, zur Bank zu bringen. Marion nutzt die Gelegenheit, unter Vortäuschung von Kopfschmerzen anschließend ins Wochenende zu gehen. Statt das Geld zur Bank zu bringen, packt sie zuhause einen Koffer und träumt davon, mit ihrem Freund, der noch die Schulden seines Vaters für den Laden, in dem er selbst arbeitet, ein neues Leben zu beginnen. Auf der Fahrt zu ihrem Geliebten übernachtet sie in der ersten Nacht am Straßenrand und wird am nächsten Morgen von einem Cop (James Remar) geweckt, am darauffolgenden Abend lässt sie heftiger Regen in ein Motel einkehren. 
Das nach der Verlegung des Highways verlassene Motel wird von Norman Bates (Vince Vaughn) geführt, der zusammen mit seiner invaliden Mutter (Rose Marie) im Haus auf dem Hügel lebt. Norman lädt die attraktive Frau zu einem Sandwich in seinem Büro ein, nachdem er ihr nicht ohne Hintergedanken das Zimmer direkt daneben gegeben hat. Durch ein Loch an der Wand kann er Marion, die sich unter falschem Namen in das Gästebuch eingetragen hat, dabei beobachten, wie sie sich vor dem Duschen entkleidet. 
Als Marion am Montag nicht zur Arbeit erscheint, macht sich nicht nur ihr Chef Sorgen um seine Angestellte, sondern auch um sein Geld. Nachdem er herausgefunden hat, dass seine Sekretärin nicht bei der Bank gewesen ist, und er selbst am Freitagnachmittag noch verwundert gesehen hat, wie Marion mit dem Auto stadtauswärts unterwegs war, engagierte er den Detektiv Arbogast (William H. Macy) mit der Suche nach seiner Angestellten und dem Geld. Als er Marions Geliebten aufsucht, ist bereits Marions ebenfalls besorgte Schwester Lila (Julianne Moore) vor Ort. Nachdem Arbogast alle Motels in der Gegend abgeklappert und herausgefunden hat, dass Marion die Nacht in Bates‘ Motel verbrachte, gibt sich Lila zusammen mit Sam als Liebespaar aus und will Norman Bates auf den Zahn fühlen… 

Kritik: 

Joseph Stefano hat nicht nur Roberts Bloch Romanvorlage „Psycho“ für Alfred Hitchcocks Verfilmung adaptiert, sondern auch das Drehbuch zur Fernsehproduktion von „Psycho IV: The Beginning“ (1990) geschrieben, in der Anthony Perkins ein letztes Mal in seiner berühmtesten Rolle zu sehen war, bevor er zwei Jahre später an AIDS verstarb. 
Für das Remake verlegte er die Handlung nur aus den späten 1950er Jahren in die Gegenwart, veränderte aber nichts an der Geschichte. Gus Van Sant orientiert sich mit nahezu jeder Einstellung an Hitchcocks „Psycho“, was den Kennern des Originals jegliches Überraschungsmoment nimmt und auch das illustre Ensemble nah an den früheren Darstellern agieren lässt. 
Ein paar Freiheiten nimmt sich das Remake dennoch heraus. Im Gegensatz zu Hitchcocks dem Zeitgeist geschuldeten natürlich recht prüden Film zeigt Van Sant nicht nur ein wenig mehr Haut und Blut (das in Farbe natürlich auch viel besser zur Geltung kommt), auch in der berühmten Duschszene, sondern lässt Norman Bates sich als Voyeur beim Anblick von Marion Cranes nackten Körper auch einen runterholen. 
Den größten Unterschied zwischen den beiden Filmen bildet tatsächlich der Einsatz von Farbe. Doch wo Hitchcocks Film durch die gekonnte Inszenierung noch schocken konnte, bleibt Van Sants „Psycho“ im Vergleich zu den Splatter-Schockern, die mit Filmreihen wie „Scream“, „Saw“, „Hostel“ und „Final Destination“ die Sehgewohnheiten von Horrorfilmen nachhaltig prägen sollten, natürlich viel zu zahm. Selbst Bernard Herrmanns Musik, die von Danny Elfman und Steve Bartek adaptiert worden ist, kann ihre bedrohliche Wirkung nicht so entfalten, wie sie es in Hitchcocks Film noch vermochte. Zudem hatte Hitchcock das Glück, die Figur des Norman Bates mit Anthony Perkins erstklassig besetzen zu können. 
Von dessen eindringlicher Darstellung ist Vince Vaughn („Für das Leben eines Freundes“, „The Cell“) leider meilenwert entfernt. So stellt das Remake von „Psycho“ letztlich nur eine – wenn auch handwerklich souverän ausgeführte – Fingerübung dar, die einmal mehr vor Augen führt, dass Remakes in den allerseltensten Fällen wirklich funktionieren.  

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