Der Exorzist

Roman Polanski hatte bereits 1968 mit seinem Meisterwerk „Rosemary’s Baby“ eindrucksvoll demonstriert, wie das Grauen sukzessive in den Alltag ganz gewöhnlicher Menschen eindringt und letztlich das Böse in Menschengestalt erscheinen lässt. Fünf Jahre später verlieh William Friedkin mit seiner Adaption des Romans „Der Exorzist“ von William Peter Blatty (der für sein Drehbuch zum Film einen Oscar erhielt) dem Teufel ein ganz neues Gesicht und regte mit seiner drastischen Bildsprache zu einer breiten Diskussion über Fortschrittsglauben und Religion an. Es war der Auftakt einer ganzen Reihe spiritistischer Filme und zog einige Sequels nach sich, die nicht mal ansatzweise die Qualität des Originals erreichten. 

Inhalt: 

Während die geschiedene Filmschauspielerin Chris MacNeil (Ellen Burstyn) in Washington unter Regie von Burke Dennings (Jack MacGowran) den im Universitäts-Milieu spielenden Film „Crash Course“ dreht, kümmert sich während der Dreharbeiten ihre Assistentin Sharon (Kitty Winn) um ihre zwölfjährige Tochter Regan (Linda Blair). In dem Stadthaus im Universitätsviertel Georgetown glaubt Chris, Ratten auf dem Dachboden zu hören, und auch wenn ihr Angestellter Karl (Rudolf Schindler) das für unwahrscheinlich hält, lässt sie ihn Fallen aufstellen. Als Regan bei einer medizinischen Untersuchung vulgär und ausfallend wird, verschreibt ihr der Arzt Ritalin und versucht Chris zu beruhigen, dass Regans Verhalten in der Pubertät ganz normal sei. Regan ist allerdings aufgefallen, dass ihre Mutter auch privat sehr viel Zeit mit dem Regisseur verbringt, doch ihre Frage, ob Chris ihn heiraten würde, verneint ihre Mutter. Die Medizin schlägt jedoch nicht an, weshalb Regan weitere Untersuchungen über sich ergehen lassen muss. 
Der Verdacht auf eine Anomalie des Schläfenlappens bestätigt sich jedoch nicht. Dafür taucht das Mädchen im Nachthemd während einer Party, zu der ihre Mutter eingeladen hat, im Wohnzimmer auf, uriniert auf den Teppich und prophezeit einem Astronauten, dass er da oben sterben werde. Wenige Tage später erhält Chris die Nachricht, dass Dennings am Fuße einer Steintreppe unterhalb von Regans Zimmerfenster tot aufgefunden wurde – mit unnatürlich um 180° verdrehtem Kopf. 
Bei seinen Ermittlungen befragt Lieutenant William F. Kinderman (Lee J. Cobb) auch den Jesuitenpater Damian Karras (Jason Miller) zu den Vorfällen, doch der Priester hat seine eigenen Probleme, zweifelt an seinem Glauben und will sich von seiner Arbeit als psychiatrischer Berater an der Universität entbinden lassen. Besonders setzt ihm zu, dass seine Mutter (Vasiliki Mallaros) vereinsamt in einem heruntergekommenen Viertel lebt und schließlich von seinem Onkel (Tito Vandis) in die Psychiatrie eingeliefert wird. Als Chris mit eigenen Augen sieht, wie das Bett ihrer Tochter von gewaltigen, unsichtbaren Kräften geschüttelt wird, lässt sie von dem erfahrenen Priester Lancaster Merrin (Max von Sydow) mit Hilfe von Karras einen Exorzismus durchführen. Dabei hatte Merrin zuvor bei Ausgrabungen im Irak eine furchterregende Entdeckung gemacht… 

Kritik: 

Zwei Jahre nach seinem Erfolg mit dem düsteren Cop-Thriller „French Connection“ präsentierte sich William Friedkin mit „Der Exorzist“ bereits auf der Höhe seines Schaffens. Zwar lieferte Friedkin mit dem Pacino-Film „Cruising“ (1980) und dem Cop-Drama „Leben und sterben in L.A.“ (1985) später durchaus noch sehenswerte Filme ab, doch die buchstäblich dämonische Intensität von William Peter Blattys „Der Exorzist“ sollte er nicht mehr erreichen. 
Schon die Auftaktsequenz, in der der Priester Merrin bei Ausgrabungen im Irak auf unheimliche Statuen stößt und mit unheimlichen Ereignissen konfrontiert wird, übt mit den gelbstichigen Bildern einen hypnotischen Sog aus, der sich vor allem mit den wissenschaftlich nicht erklärbaren Phänomenen verstärkt, denen sich die pubertierende Regan ausgesetzt sieht. Blatty und Friedkin nehmen sich zunächst die nötige Zeit, die Geschichte von der Schauspielerin Chris und ihrer Tochter zu erzählen, um dann eindrucksvoll auszuführen, wie die hochnäsigen Akademiker nichts gegen Regans offensichtlichen Leiden tun können. 
Die hier ausgedrückte Skepsis gegen die Fortschrittsgläubigkeit Anfang der 1970er wird hier einem Glauben an Gott gegenübergestellt, der an allen Ecken und Enden zu bröckeln beginnt. Ein Pater entdeckt in der Kirche eine obszön geschändete Statue, Karras ertrinkt seine Selbstzweifel und sein Schuldbewusstsein angesichts des unwürdigen Todes seiner Mutter im Alkohol und Merrin sieht sich schon im Irak einer Manifestation des Bösen ausgesetzt, die beim Exorzismus von Regan noch deutlicher zutage tritt. Gerade in audiovisueller Hinsicht verbreitet Friedkin wirkungsvollen Terror. 
Mit gelungenen Special Effects und verfremdeten Stimmen lässt er Regan zu einer Furie werden, die in fremden Zungen redet, flucht und über geheimes Wissen verfügt, die über übermenschliche Kräfte verfügt und grüne Kotze ausspuckt. 
„Der Exorzist“ wirft damit spannende Fragen um die Deutung der Welt auf, über die Dualität von Wissenschaft und Glauben, über die Natur des Bösen auf. Der Film erzählt aber auch von Einsamkeit. Chris hat kaum noch Kontakt zu ihrem in Europa lebenden Ex-Mann, weshalb Regan auch die Vaterfigur fehlt. Der Priester Karras fühlt sich ebenso in seinem fehlenden Glauben an Gott allein wie seine Mutter, die in der Psychiatrie dahinsiecht, weil sich niemand um sie kümmert. Und auch der allein ermittelnde Lieutenant will keinen Begleiter für die Kino-Vorstellungen finden, für die er immer Freikarten erhält. Dabei hält Friedkin konsequent die Spannung auf einem hohen Niveau und kann dabei auf eine vielschichtige Story und gute Darsteller bauen. Die beunruhigenden Klänge von Krzysztof Penderecki, Anton Webern und Hans Werner Henze bilden dabei eine gelungene Symbiose mit den betörenden Bildern von Kameramann Owen Roizman („Die Frauen von Stepford“, „Der elektrische Reiter“). John Boormans Fortsetzung „Der Exorzist II – Der Ketzer“ konnte vier Jahre später längst nicht an Qualität und Erfolg von Friedkins Meisterwerk anknüpfen.  

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