Die Dolmetscherin

Seit seinem Kinodebüt mit dem Drama „Stimme am Telefon“ (1965) hat sich der 2008 verstorbene Filmemacher Sydney Pollack mit Meisterwerken wie „Jeremiah Johnson“, „Yakuza“, „Die drei Tage des Condor“, „Der elektrische Reiter“, „Tootsie“, „Jenseits von Afrika“ und „Die Firma“ einen Namen gemacht und ist seit 1974 auch verstärkt als Produzent in Erscheinung getreten. Mit seinem letzten Film „Die Dolmetscherin“ präsentierte Pollack 2005 einen ebenso spannenden wie temporeichen, stark gespielten Polit-Thriller, für den erstmals eine Filmgenehmigung für das UNO-Hauptgebäude in New York erteilt worden ist. 

Inhalt: 

Sylvia Broome (Nicole Kidman), Tochter eines weißen Afrikaners und einer Britin, arbeitet als Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen in New York. Als das Gebäude nach einem Defekt bei den elektronischen Sicherheitskontrollen vorsichtshalber evakuiert wird, geht Broome noch einmal in ihre Kabine zurück und wird dabei zufällig Zeugin, wie sich flüsternde Stimmen über ein geplantes Attentat auf den afrikanischen Diktator Dr. Zuwanie (Earl Cameron) unterhalten, der in Kürze eine Rede vor dem Plenum halten will. Durch das versehentliche Einschalten des Lichts wird die Dolmetscherin für einen kurzen Moment für Außenstehende sichtbar, doch kann sie im letzten Moment fliehen. Die beiden Secret-Service-Agenten Tobin Keller (Sean Penn) und Dot Woods (Catherine Keener), die eigentlich für den Schutz des Diktators zuständig sind, unterziehen Broome nach ihrer Meldung bei den Sicherheitsleuten zwar einem Verhör, halten ihre Aussage allerdings nicht für besonders glaubwürdig, zumal die Untersuchung ihrer Vergangenheit Umstände zutage bringt, die auf Broomes enge Verbundenheit mit der Rebellenbewegung in Matobo hinweist. Der größte Teil ihrer Familie ist sogar durch eine Mine getötet worden, die von Zuwanies Regime gelegt worden war. Allerdings wird Broome wenig später von einem Unbekannten in ihrer Wohnung bedroht, worauf eine Nachbarin die Polizei informiert. Kellers und Woods‘ Chef Pettigrew (Sydney Pollack) lässt Broome rund um die Uhr überwachen, doch können die Secret-Service-Leute nicht verhindern, dass ihnen Broome auf ihrer Vespa entwischt und sich mit dem Fotografen Philippe (Yvan Attal) trifft, der mit schlechten Nachrichten aus Matobo zurückgekehrt ist. Derweil versuchen die Attentäter, jede Spur, die zu ihnen führt, auszuradieren… 

Kritik: 

Nach einem Drehbuch der beiden Oscar-Preisträger Steven Zaillian („Schindlers Liste“, „Gangs of New York“, „American Gangster“) und Charles Randolph („The Big Short“, „Das Leben des David Gale“) sowie des Oscar-nominierten Scott Frank („Out of Sight“, „Minority Report“) hat Sydney Pollack einen fesselnden Polit-Thriller inszeniert, der ohne große Einleitung eine tödliche Falle präsentiert, bei der – wie wir später erfahren – u.a. Sylvia Broomes Bruder in einem fiktiven südafrikanischen Staat getötet wird. 
Der nachfolgende Plot skizziert nicht nur, wie der einst als Befreier seines Volkes gefeierte Dr. Zuwanie zu einem völkermordenden Diktator mutiert ist, der mit einer Anklage vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag rechnen muss, sondern natürlich auch die Jagd nach den mutmaßlichen Verantwortlichen für das geplante Attentat. Hier spielt die in Matobo aufgewachsene und durchaus politisch engagierte Dolmetscherin eine lange Zeit undurchsichtig erscheinende Rolle, die erst differenziert wird, als sich die Erzählperspektive von ihr löst und auf die Sichtweise der ermittelnden Beamten ausgeweitet wird. 
Auch wenn Pollack und seine Autoren bei der Charakterisierung gerade der Dolmetscherin nicht allzu in die Tiefe gehen, sorgt die nicht gänzlich ausgelotete Figur der Ohrenzeugin für eine raffiniert inszenierte zusätzliche Dimension bei dem Versuch, das immer offensichtlichere Attentat auf den südafrikanischen Despoten zu verhindern. Besonders gelungen sind dabei die pointierten Dialoge zwischen der alleinlebenden Dolmetscherin und dem melancholisch wirkenden Keller, der erst vor wenigen Wochen seine Ex-Frau durch einen Autounfall verloren hat. 
Nicht zuletzt die fein akzentuierten Darstellungen der beiden Hollywood-Stars Nicole Kidman („Eyes Wide Shut“, „The Hours“) und Sean Penn („21 Gramm“, „Mystic River“), die schicken Bilder von Kameramann Darius Khondji („Sieben“, „To Rome With Love“) und der angenehm zurückhaltende Score von James Newton Howard („The Sixth Sense“, „Michael Clayton“) machen „Die Dolmetscherin“ zu einem packenden Polit-Thriller, der vielleicht etwas zu sehr an der Oberfläche bleibt, aber zumindest das Bemühen der Vereinten Nationen unterstreicht, auf diplomatischem Wege für Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen.  

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